Ein Rückblick von Pastor i. R. Gunther Pistor
1939 lehnte Dietrich Bonhoeffer eine Berufung in die USA ab und kehrte kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges nach Deutschland zurück. Welchen Verlauf hätte sein Leben genommen, wenn er in den USA geblieben wäre? 1939 – kurz vor Ausbruch des Krieges – nannte Franz Werfel seine Zeit eine „wohl strafweise zum lärmenden Missvergnügen verurteilte Zeit“(!). Wenige Tage vor dem Gedenkkonzert in der Universitätskirche in Rostock am 9. April 2015 zu Bonhoeffers 7o. Todestag stieß ich wieder auf Werfels Bemerkung. Manche Sätze, manche Bücher „wollen“ ja in bestimmten Zeiten zu einem Leser, werden ihm gleichsam zugespielt. Werfels bis heute aktuelle und niederschmetternde Zeitdiagnose -und dann das Erlebnis dieses Gedenkkonzertes mit seinem tiefen Ernst, der Sensibilität des Programms, der Lauterkeit seiner Darbietung und der Darbietenden!
Bonhoeffer entstammte dem deutschen Bildungsbürgertum, war ein gebildeter Musikhörer und selbst Muszierender, kenntnisreich auf vielen Gebieten. Die Imitatio Christi von Thomas a Kempis liest er lieber in der Ursprache, – „sie ist lateinisch doch unendlich viel schöner als deutsch.“ So ist er auch bewandert in der geistlichen Musik des siebzehnten und achtzehnten sowie im Kunstlied des neunzehnten Jahrhunderts. In Tagebucheintragungen und Briefen aus der Haft zitiert er immer wieder Musik, an die er sich erinnert und in Gedanken hört – oder wieder hören möchte. Diese Zitate hat Markus Langer für das Konzept dieses besonderen Konzertes aufgegriffen und eine bewegende Auswahl getroffen. Lesungen aus „Widerstand und Ergebung“ (Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft) und aus gewichtigen theologischen Texten wechseln sich ab mit der Aufführung der genannten oder thematisch verwandten Musik von Bach, Schütz, Crüger, Raselius, Hugo Wolf u.a.
Anrührend war es, wie sich die jungen Sänger des Choralchores unter der Leitung von Markus Johannes Langer auf die chorischen Werke eingelassen haben und die Herzen der Hörer zu öffnen wussten. Die Sopranistin Friederike Kühl („Über Nacht, über Nacht kommt still das Leid“) und die Instrumentalistinnen Anne von Hoff (Violine), Katharina Weyer (Flöte) und Christina Noe (Orgel und Klavier) musizierten ihren jeweiligen Part mit wohltuender Hingabe. Bonhoeffers theologische Reflexionen erschlossen sich den Hörern durch Ulrich K. Müllers eindrucksvolle sprachliche Gestaltung der Lesungen.
Und die Hörer dieses Konzertes hatten verstanden, dass sie Anteil gehabt hatten an einer besonderen Stunde und belohnten die Ausführenden dieses Gedächtniskonzertes mit ehrfürchtiger Stille.