in aeternam [ ] – Variationen in Zeit und Ewigkeit – ein drittes Großprojekt von Universität und St.-Johannis-Kantorei

In Aeternam Collage

In Aeternam Collage

Die Wendung in aeternam ist ergänzungsbedürftig; ihr fehlt mit dem grammatischen Objekt das eigentliche Zielwort. Diese Unvollständigkeit markiert eine Lücke, die zu füllen ist. Traditionell wird sie mit Worten wie vitam oder requiem, Leben oder Ruhe ergänzt, und es geht dann um unverlierbares Leben und endgültiges Aufgehobensein. Wir haben mit in aeternam eine unvollständige Formulierung gewählt, die zu füllen ist. Damit deutet sich an, dass es alltagssprachlich mit der Ewigkeit zunächst um ein menschliches Wünschen geht, um ‚unser’ Begehren nach Dauer und Bestand. Stets sind wir selber es, die dieses Begehren füllen. Hier zeigt sich eine unübersehbare gesellschaftliche Relevanz des Themas. Denn wir erleben ja nicht nur, wie die Zeit vergeht; wir wünschen uns auch, dass das, was wir als sinnhaft erleben, nicht ausgelöscht werde und nicht verloren geht.

Konzertübersicht in aeternam

Konzertübersicht in aeternam

Mit dem Stichwort Ewigkeit verbinden wir meist die Vorstellung einer zeitlosen Dauer. Ewigkeit – das ist ein Raum jenseits der Zeit, in dem nichts geschieht. Ursprünglich ging es jedoch nicht um die Vorstellung einer statischen, unbewegten und zeitunabhängigen Ewigkeit. Sie wuchs erst spät den biblischen Wurzeln zu, die unsere Vorstellungen von Zeit und Ewigkeit auch heute noch nachhaltig prägen. Am Anfang ging es darum, Beglückendes als bleibend zu fixieren.

Gerade das Kostbare eines Gelingens, eines Heilwerdens oder Gerettetseins wurde mit dem Wunsch versehen, sich als bleibend und auf immer dauerhaft zu erweisen. Diesem Wunsch entspricht die biblische Rede, die Menschen ewiges Leben (vitam aeternam) zuspricht. Das Johannesevangelium spricht zum Beispiel sehr konkret von einem ‚ewigen Leben’, das bereits diesseits des Todes in der gegenseitigen Liebe von Menschen erfahrbar wird (Joh 11,25f.; 12,50; 15,12).

Die Texte der biblischen Tradition sprechen nicht nur von Dauer, Bleibendem und Unzerstörbarem; sie wissen auch von der Fülle des Augenblicks, die sich nicht aus sich selber speist, sondern aus dem Versprechen dessen, was gut werden und nicht enden soll. So konnte das Versprechen des Glücks zur Fülle des Augenblicks werden.
Aus diesem Versprechen speist sich unser Sinn fürs „Jetzt“, fürs „Heute“, für die Einzigartigkeit des unwiederbringlichen Moments. Die alte rabbinische Frage, mit der Christa Wolf ihr ‚Nachdenken über Christa T.’ abschloss, spielt darauf an: „Wann, wenn nicht jetzt?“ (mAv 1,14) Wir sprechen manchmal vom „Zeitfenster“, in dem etwas geschehen soll. Ein Zeitfenster kann sich schließen, man kann die Zeit, in der etwas gelingen konnte, verfehlen. Die biblische Tradition kennt mit dem Stichwort „Kairós“ eine vergleichbare Vorstellung. Da geht es um die Besonderheit einer Zeit, die ergriffen werden soll oder verfehlt werden kann. In ihr konnte sich das Versprechen einer glückenden Zukunft erfüllen; hier konnten sich Zeit und Ewigkeit berühren – ohne der Illusion zu verfallen, die Zeit festhalten zu können. Jesus wurde im apokryphen Thomasevangelium ein Wort zugeschrieben, das gerade angesichts bleibend gültiger Wahrheit verstanden werden soll: „Werdet Vorübergehende!“ (EvTh 42).
Das Thema, das mit in aeternam sein sprachliches Kürzel erhält, ergibt sich sinnfällig aus dem Bisherigen: So, wie lebensnotwendiges Vertrauen sich auf einen Anfang bezieht, den es nicht selber schuf, baut es darauf, dass dieser Anfang sich als sicher, bleibend und zukunftsgewiss erweist. Die alte liturgische Formel „wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (sicut erat in principio et nunc et semper et in saecula saeculorum), mit der traditionell die Psalmen und Cantica abgeschlossen werden, enthält im Kern diese Logik: Es geht um das Vertrauen auf das, was bereits im Anfang war, was jetzt gilt und auch in Zukunft und auf unabsehbare Zeit Bestand hat.
Aus dieser Logik speiste sich nach Credo und In Principio nun auch das dritte gemeinsame Großprojekt, und es lag nahe, ihr auch in musikalischer Hinsicht Rechnung zu tragen. Am Anfang erklangen Psalmenvertonungen, in der Mitte eine Bearbeitung des Vater Unsers, das sich ja seiner Bitten mit dem Blick auf die jeder menschlichen Zeit überlegene Zukunft Gottes versichert, und am Ende wurde am Ewigkeitssonntag ein Requiem musiziert, dem ja die Wendung in aeternam entnommen ist.